Mordsteine – Hintergründe

Die Schlacht bei Lenzen

Lenzen, das alte Lunkin, liegt ganz im Westen Brandenburgs am Ostufer der Elbe an einer uralten (heute nicht mehr vorhandenen) Furt. Vor über tausend Jahren grenzte dort das fränkische Reich an das Land der Slawen. In jener Zeit kam es über Jahrhunderte hinweg wiederholt zu Grenzstreitigkeiten und Raubzügen. Im Zuge einer Strafexpedition ins Slawenland setzte ein Heer Karls des Großen im Jahre 789 an der Lunkiner Furt über die Elbe. Hader zwischen den slawischen Stämmen erleichterte Karls Armee den Sieg – Großfürst Dragowit und andere slawische Häuptlinge mußten die Waffen strecken.

Doch die Konflikte flammten schnell wieder auf. Im Jahre 810 eroberten die Slawen z.B. einen festen Platz des Legaten Odo (darüber wird in "E-Mail aus der Zukunft" näher berichtet). Wiederholte Vorfälle dieser Art führten im Jahre 812 zu einem erneuten Feldzug der Deutschen gegen die Slawen, die sich diesmal ohne einen Schwertstreich unterwarfen. Am Westufer der Elbe entlang wurden Grenzfestungen errichtet. Eine davon – Höhbeck – befand sich gegenüber der Lenzener Slawenburg. Doch auch sie wurde 816 von den Slawen angegriffen; sie zündeten die Kapelle an und stürzten das Hochkreuz in die alte Opferschlucht.

Heinrich I. (875–936), seit 919 erster deutscher König, setzte 928 zur Eroberung ganz Brandenburgs an. In den Jahren zuvor hatte er eine schlagkräftige Reiterei aufgebaut, die auch in der Schlacht bei Lenzen am 4. September 929 entscheidend zum Sieg über die slawische Übermacht beitrug.

Ursprünglich wollten die Slawen in der Nacht vom 3. zum 4. September selbst angreifen, doch dieser Plan wurden den deutschen Heerführern durch Überläufer und Kundschafter zugetragen. Markgraf Thietmar und sein Kollege, Graf Bernhard, beschlossen, die gesamte Armee über Nacht unter Waffen zu halten. Der Chronist Widukind von Corvey schreibt weiter:

"Die Nacht war dunkler und stürmischer als gewöhnlich, der Himmel mit schweren Wolken bezogen, der Regen goß in Strömen herab, und die Herzen der Krieger waren geteilt zwischen Kampfeslust und banger Sorge. Bei solchem Wetter aber sank den Wenden [=Slawen] der Mut, und sie unterließen den Angriff."

Am nächsten Morgen jedoch, "als die Sonne heiter aufging, – in heller Bläue strahlte der Himmel nach dem Regen – rückten sie [die Deutschen] mit wehenden Fahnen aus dem Lager […] und sahen, wie aus den nassen Kleidern der Wenden ein dichter Dunst zum Himmel emporstieg, während sie selbst das klarste Licht rings umfloß."

Mit lautem Geschrei stürmten die Scharen nun auf die Wenden los, doch die dichten Massen des Gegners konnten nicht durchbrochen werden. Erst als Markgraf Thietmar den Slawen mit seiner schwergerüsteten Reiterei in die Seite fiel, lösten sich die Reihen des wendischen Heeres in panischer Flucht. Umsonst versuchten sie, die Lunkiner Festung zu erreichen, denn Thietmar schnitt ihnen den Weg ab. Wer nicht erschlagen wurde, ertrank in den umliegenden Sümpfen, im Flüßchen Löcknitz oder im Rudower See.

"Man habe von 200.000 Toten gesprochen", schreibt Widukind, und – nachdem am nächsten Tag die Besatzung der Lunkiner Burg kapitulierte: "So, mit grausamer Strenge, wurde der Kampf gegen die Slawen geführt; man kannte keine Schonung, nur Knechtschaft und Tod."

Mit reicher Kriegsbeute – Frauen, Kindern, Knechten und Schätzen – zogen die Sieger von dannen.

Quelle: Bilder aus der Geschichte der Prignitz, 1925, verschiedene Autoren

Von Wendenspuk und Schätzen

Das Gold der Slawen und das grausige Geschehen jedoch lebt bis heute in Sagen von versunkenen Schätzen und spukenden Wenden weiter. Auf dem Lenzener Marienberge soll sich einst ein heidnischer Slawentempel befunden haben, in dem das bekannte Pferde-Orakel abgehalten wurde. Noch heute geistern bei Vollmond einige dieser Pferde durch die Wälder und Wiesen. Eines – manche sagen, es habe nur drei Beine – soll sogar mitten durch das nächtliche Lenzen traben.

Auf einem Felde am Göbengraben hört man in der Dämmerung zuweilen ein beängstigendes Kreischen und Rufen. Es sind die Seelen erschlagener Wenden. Zwischen Lenzen und Seedorf erscheinen sie in hellen Nächten: mit Schwert, glänzendem Panzer und – dem Kopf unter dem Arm. Einst sind einem Mann gleich zwölf Wendenfürsten erschienen. Er sah, wie sie in die Löcknitz stiegen und ihm zuwinkten. Der Mann ist bald danach in der Löcknitz ertrunken. In manchen Mooren jagen auch weiße Hunde – mit und ohne Kopf. Allerlei sonderbare Erscheinungen folgen ihnen und versinken alsbald im Moor. Selbst am hellichten Tage sollen die Gespenster von toten Wenden an Kreuzwegen erscheinen und – wie die meisten dieser Ereignisse – Unglück bringen.

Natürlich ist auch von vergrabenen Schätzen immer wieder die Rede. Die Krone eines Slawenkönigs sowie sein Gold sollen nach der Schlacht bei Lenzen im "Wries", einem Sumpfloch beim Dorfe Moor, versenkt worden sein. Auch in einem Fischteich bei Baekern soll Wendengold liegen, und in gewissen Nächten kann man es sogar wie glühende Kohlen leuchten sehen. Am Weg von Lenzen nach Lanz, so munkelt man, ist ein Tempelschatz vergraben. In den Nächten um Johanni wollen einige eine riesige Wildsau beobachtet haben, die dort im Boden wühlt. Man sagt, wer sie am Schwanze packt, den führt sie zu der Stelle, an der der Schatz vergraben ist.

Die bekannteste Sage ist die von der "Heideneiche bei Gadow". Im nahe Lenzen gelegenenen Schloßpark von Gadow stand bis ins 20. Jhd. eine riesige Eiche. Während der Schlacht bei Lenzen soll an dieser Stelle ein Wendenhäuptling auf der Flucht sein Gold und Geschmeide mit einem Zauberspruch vergraben haben. Er steckte fünf Eicheln in den Boden, von denen eine ausschlug und zu der mächtigen Eiche heranwuchs.

Der Schatz liegt heute sehr tief in der Erde. Wenn man nach ihm gräbt, sinkt er immer tiefer hinab. Daher kann man den verzauberten Schatz nur mit einem Gegenzauber heben: Dazu muß man in der Johannisnacht am Teufelsstein auf dem Höhbeck das 6. Buch Moses dreimal vorwärts und rückwärts aufsagen. Daraufhin erscheint eine goldene Wiege mit einem schlafenden schwarzen Hund darin. Nun muß man die Wiege zur Heideneiche tragen, den Hund vorsichtig herausnehmen und sich selbst in die Wiege legen. Dabei darf man keinen Laut von sich geben. Alsbald beginnt ein wüstes Schnaufen und Wühlen, nach einer Stunde verschwinden Hund und Wiege und der Schatz steht vor einem.

Doch dieser Zauber hat vor vielen Jahren Schaden genommen (deswegen konnten ihn die Helden der Geschichte "Gold!" auch nicht anwenden). Damals trafen sich zwei Männer an diesem Ort, die beide den Schatz heben wollten. Sie gerieten deswegen in lauten Streit und die Wiege versank wieder im Boden, ohne das der Schatz auftauchte. Der schwarze Hund aber, der nicht mehr in die Erde zurückkehren konnte, spukt mit großen glühenden Augen bis heute durch den Schloßpark …

Quelle: Das Königsgrab von Seddin und andere Sagen der Westprignitz, 1999, gesammelt von Günter Seier

Ansgars Reise in die Prignitz

Über das Landschaftsbild der Prignitz sind aus der Zeit der Schlacht bei Lenzen sowie von Ansgars Reise nur wenige schriftliche Zeugnisse vorhanden. Der von Ansgar in seinem geheimnisvollen Bericht erwähnte arabische Kaufmann könnte ;-) Ibrahim Ibn Jakub, Handelsreisender und Gesandter des Kalifen im (damals maurischen) Spanien, gewesen sein. Dieser bereiste 965 oder 973 neben Frankreich und Deutschland 975(?) auch die slawischen Länder und verfaßte darüber einen Bericht, der z.T. einzigartige Fakten überliefert. Seine Beschreibung des Slawenlandes dürfte nicht viel anders ausgefallen sein als die des Bischofs Otto von Bamberg, der im Jahre 1128 die Prignitz durchquerte und lediglich von "großen Waldungen" zu berichten wußte.

Daß nicht nur Ansgar, sondern selbst den Slawen dieser Teil ihres Reiches "finster" erschien, sagt schon der Name "Prignitz", der vom slawischen "Pregynica" hergeleitet sein soll und soviel wie "ungangbares Waldgebiet" bedeutet. Was Wunder, daß Ansgar in diesem finstren Walde ein Ungeheuer erscheint? Vielleicht findet man es ja noch heute schlafend unter einem uralten Findling …

Quellen: Bertelsmann Lexikon Geschichte; Festschrift 700 Jahre Perleberg "Tage stolzer Macht – Zeiten bitterster Not", 1939; Bericht des Mönches Ansgar, anno domini 999 :-)

zurück