Mordsteine

Nachtwanderung

Tom hat Alexandra allein im einsamen Ferienhaus am Deich zurückgelassen, weil sie krank ist und im Bett bleiben muß. Nur ihre ahnungslose Cousine kommt spät nachts zu einem Krankenbesuch. Doch in jener Nacht, als die Helden ein paar Kilometer stromaufwärts im Deichkrug sitzen und zum Spaß Gespenstergeschichten erzählen, bewahrheitet sich Heinrichs Warnung, daß man damit nur die Geister aus ihren Gräbern herauslockt. Nach Alexandras telefonischem Hilferuf im Gasthaus machen sich Tom, Jens und der alte Heinrich schleunigst auf den Weg zu Alexandra. Tom erzählt, was dann geschieht:

Ich rüttelte an der Tür. Abgeschlossen. Mit fliegenden Händen kramte ich das Schlüsselbund aus der Hosentasche. Aber der Schlüssel wollte nicht ins Schloß. "Verdammt, Alex' Schlüssel steckt von innen. Wir müssen durchs Fenster!"

Mit bloßen Händen schlug Jens die Scheibe ein. Er stieg hinein. "Heinrich!" rief ich. "Ich helf' dir rein!"

Der atmete schwer.
"Nein, geht nur. Zum Fensterln bin ich nun doch schon ein wenig zu alt. Ich werde hier draußen Wache halten – nun geht schon, ich mache das doch nicht zum ersten Mal!"

Wir rannten ins Schlafzimmer. Leer. Auch alle anderen Zimmer waren leer.
"Da! Auf der Bodentreppe brennt Licht. Sie sind nach oben …"

Augenblicklich stürmten wir die Stiege hinauf. Aber auch auf dem Boden war niemand. Doch da raschelte es in der Ecke, und gleich darauf kam uns ein Gegenstand entgegengeflogen. Geistesgegenwärtig bückten wir uns. Ich griff nach dem Wurfgeschoß.
"Eine Bibel! Wer schmeißt denn … Alexandra!"

Schreiend kamen die beiden Frauen hinter einer Truhe hervorgesprungen und fielen uns um den Hals.
"Wir dachten, ihr seid zwei Wasserleichen – so voller Schlamm."

"Los, kommt runter, wir …" Meine Stimme versagte.

An der Bodentreppe stand eine halbverweste Kreatur.

Langsam wankte sie auf uns zu. Jens krallte sich an meinen Arm.
"Heinrich hat das Kruzifix! Wir sind verloren!"

Ich riß den Deckel einer Truhe hoch. Vielleicht lag ja eines darin. Doch ich fand etwas ganz anderes.

Mein Alptraum aus der Kinderzeit ging in Erfüllung.

Vor unseren Augen erhob sich aus der Truhe ein vermodertes Gerippe. Seine leeren Augenhöhlen stierten mir direkt ins Gesicht.

Schreiend warfen wir uns in eine Ecke. Doch was wir von dort beobachteten …

… wird hier natürlich noch nicht verraten. Doch es war, wie sich später herausstellt, nicht ihre erste Begegnung mit dem Unheimlichen und es wird auch nicht ihr letztes Abenteuer dieser Art sein.

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